02/07/2024 0 Kommentare
Die Stimme aus der Wolke (Matthäus 17)
Die Stimme aus der Wolke (Matthäus 17)
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Die Stimme aus der Wolke (Matthäus 17)
Liebe Gemeinde,
was vorne drauf steht, muss auch drin sein. Das ist eine bekannte Regel, die in verschiedenen Bereichen gilt. Wo Zucker draufsteht, muss auch Zucker drin sein und nicht etwa Süßstoff. Wo jemand auf dem Buchdeckel als Autor genannt wird, muss auch der Inhalt des Buches von ihm stammen. Zitieren darf man natürlich, aber bitte nicht seitenlang und auf jeden Fall nach allen Regeln der Kunst gekennzeichnet. So dass jeder weiß, welche Gedanken und Formulierungen von welchem Autor stammen.
In der Schule, in der Wissenschaft und in der Literatur ist dies verpflichtend und wenn Menschen sich nicht daran halten, dann drohen eine schlechte Note, eine Klage wegen Betrugs oder auch der Entzug eines Doktortitels.
Außerhalb dieser Bereiche ist die Lage manchmal jedoch anders. So entstammen etliche Ansprachen von Politkern aus unterschiedlichen Federn. Dem Inhalt nach entsprechen sie der Überzeugung des Sprechers. Doch viele Passagen, Formulierungen und Pointen werden von den Redenschreibern eingebracht. Oft sind Sie diejenigen, die die meiste Arbeit in eine Ansprache gesteckt haben, doch erwähnt werden sie nicht. Auch nicht dort, wo die Rede in schriftlicher Form vorliegt.
Ähnlich verhält es sich bei der Arbeit von Pressesprechern. Die E-Mail, die von der E-Mailadresse des Direktoriums versandt wird, wird des Öfteren von jemand anderen in die Tasten getippt. Auch Zeitungsinterviews mit Leitungspersonen entstammen manchmal dem Munde eines anderen Mitarbeiters - ohne dass dies gekennzeichnet wird.
Nicht immer steht also drin, was vorne drauf steht. Das gilt auch für einige biblische Bücher. Als Apostel Petrus bezeichnet sich der Schreiber der Petrusbriefe, doch die neutestamentliche Wissenschaft nimmt an: Die Briefe wurden zu einer Zeit verfasst, als der Apostel schon längst nicht mehr lebte. Vielmehr handelt es sich bei dem Schreiber um einen Menschen, der sich dem Apostel Petrus und dessen Gedanken und Glauben so nah und verbunden fühlte, dass er sich entschied, in dessen Namen zu schreiben. Schlechtes Gewissen hatte er dabei sicherlich nicht, denn in der damaligen Zeit war es üblich, dass Schüler im Namen ihrer Lehrer schrieben. Und außerdem sollte das Ausleihen des Namens von Petrus einem guten Zweck dienen. Mit dieser Hilfe wollte der Schreiber die Gemeinden vergewissern: Bei der Überlieferung des christlichen Glaubens handelt es sich nicht um ausgedachte Geschichten, sondern um Worte, die auf Gott selbst zurückzuführen sind.
„Denn wir sind nicht ausgeklügelten Fabeln gefolgt, als wir euch kundgetan haben die Kraft und das Kommen unseres Herrn Jesus Christus; sondern wir haben seine Herrlichkeit mit eigenen Augen gesehen. Denn er empfing von Gott, dem Vater, Ehre und Preis durch eine Stimme, die zu ihm kam von der großen Herrlichkeit: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe. Und diese Stimme haben wir gehört vom Himmel kommen, als wir mit ihm waren auf dem heiligen Berge. Umso fester haben wir das prophetische Wort, und ihr tut gut daran, dass ihr darauf achtet als auf ein Licht, das da scheint an einem dunklen Ort, bis der Tag anbricht und der Morgenstern aufgeht in euren Herzen.“
Dass in Jesus Gott in die Welt gekommen ist, darin war sich der Schreiber sicher. Doch anstatt von seinen eigenen Glaubenserfahrungen zu sprechen, erzählt er lieber die Geschichte von Petrus, der die Stimme Gottes hörte. Eine geheimnisvolle Geschichte ist das. Sie reiht sich ein in die Folge der Geschichten von Noah und Mose und anderer Propheten, die ebenfalls Gott selbst sprechen hörten. Große Fragen werfen diese Erzählungen auf: Wie hat man sich Gottes Stimme vorzustellen? Wie wurde sie gehört? Mit den Ohren oder mit den Herzen?
„Warum spricht Gott nicht mehr so zu uns wie zu den Menschen in der Bibel?“ Das hat mich einmal ein Konfirmand gefragt und eine Antwort darauf zu finden, fiel mir schwer. Verweisen konnte ich darauf, dass schon in der Bibel nur die wenigsten Gläubigen Gottes Worten unmittelbar und unmissverständlich begegneten. Von Anfang an erhielt der Mehrheit des Volkes Israel und der Christen Gottes Wort in Menschenwort verpackt. Von Anfang an gehörte das Vertrauen zum Glauben dazu - doch auch der Zweifel und die Fragen.
Wie hören Menschen Gottes Wort? Nur aus der Bibel heraus? Oder auch auf andere Weise? Im Gebet? In der Stille? Im Austausch miteinander?
Wenn ich über die Stimme Gottes nachdenke, dann denke ich auch an die Natur. Denn bei Spaziergängen durch Wälder, Wiesen und Strände spricht Gott der Schöpfer zu mir. Da wird in mir das Staunen geweckt. Ich spüre die Faszination für das Leben und für den, der es geschaffen hat. Ich empfinde Respekt vor dem, was viel größer ist als ich. Ruhe kehrt ein, ich werde offen für die Hoffnung, offen, Gott zu loben.
Und doch braucht es daneben auch die Heilige Schrift, um Gott zu verstehen. Es braucht das Gotteswort im Menschenwort als Ergänzung und als Korrektiv zu dem, was aus der Natur zu mir spricht. So verhindern die Worte von Barmherzigkeit, das Prinzip „Survival of the fittest“ auf unsere Gesellschaft anzuwenden. Die Regeln unseres Miteinanders aus den Regeln der Natur abzuleiten, das wäre fatal. Dann würde das Recht des Stärkeren gelten und das entspräche nicht dem, was Gott von uns will. Um das zu erkennen, ist der Blick in die Schrift nötig, wo das Leben und Wirken von Jesus Christus den Willen Gottes anschaulich werden lässt – und die Liebe, die ihn antreibt, für die Menschen spürbar wird.
Noch einmal zurück zu den Worten aus dem 2. Petrusbrief. Dort wird nicht nur von der Stimme Gottes gesprochen. Es geht auch darum, wie wir mit den Worten, die uns überliefert wurden, umgehen sollen: „Umso fester haben wir das prophetische Wort, und ihr tut gut daran, dass ihr darauf achtet als auf ein Licht, das da scheint an einem dunklen Ort, bis der Tag anbricht und der Morgenstern aufgeht in euren Herzen.“
Eines Tages, so sind sich die biblischen Schreiber sicher, werden wir ganz von Gottes Geist erfüllt und erleuchtet sein, werden Gott sehen und verstehen, wie er ist. Doch noch ist es nicht so weit. Noch gilt es, an dem festzuhalten, was uns von ihm übermittelt ist, und es zu bewahren - wie ein Licht im dunklen Ort.
Lese ich diese Worte, so sehe ich ein Bild aus den letzten Tagen vor mir: ein Teelicht in unserer Kirche, das jemand für einen anderen entzündet hat. Abends, als die Kirche geschlossen und alles elektrische Licht gelöscht wurde, war diese Kerze das einzige Licht, das noch die Kirche erhellte.
Bewahren können wir dieses Leuchten, in dem wir das Feuer vor äußerlichen Einflüssen schützen. Doch das allein reicht nicht aus. Irgendwann sind Docht und Wachs niedergebrannt - und das Licht droht zu erlöschen. Bewahren können wir es nur, wenn wir neue Kerzen entzünden, wenn wir das Feuer weitertragen.
„Umso fester haben wir das prophetische Wort, und ihr tut gut daran, dass ihr darauf achtet als auf ein Licht, das da scheint an einem dunklen Ort, bis der Tag anbricht und der Morgenstern aufgeht in euren Herzen.“
Den Glauben, den wir in uns tragen und die Worte, die ihn wachrufen - das beides sollen wir nicht für uns behalten, sondern weitergeben, weitertragen, leuchten lassen. Damit es hell wird, wo es dunkel ist.
Ihre Pastorin Joppig
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