02/07/2024 0 Kommentare
Gnadenwirtschaft
Gnadenwirtschaft
# Gottesdienste/Spirituelle Angebote

Gnadenwirtschaft
Die Geschichte, wie Jesus fünf Brote und zwei Fische an mehr als 5000 Menschen austeilt und alle davon satt werden, kennen Sie (Johannes 6, 1-15). Ich lese sie als eine Anleitung dafür, wie eine andere Wirtschaft möglich ist.
Als Jesus die Jünger fragt, wie denn die große Volksmenge ernährt werden soll, sagt Philippus, einer der Jünger:
»Nicht einmal Brot für 200 Silberstücke reicht aus, dass jeder auch nur ein kleines Stück bekommt!«
Philippus denkt ans Geld, das stets zu knapp ist. Er glaubt noch an die herkömmliche Ökonomie. Das ist eine Wirtschaft, die auf die Bedürfnisse der Menschen und der Natur keine Rücksicht nimmt. Die daran glaubt, dass aus den niedrigsten Instinkten der Gier und des Geizes tugendhafte Wohlfahrt entstehen kann. Sie will uns glauben machen, jeder könne alles erreichen, wenn er sich nur richtig anstrengt. Sie hält Ungleichheit für eine Motivation, um Gutes zu schaffen. Es ist eine Wirtschaft, die dem Ziel der Gewinnmaximierung alles unterwirft und die auch die menschlichen Beziehungen und Gefühle zur Handelsware macht. Die Kathedralen dieser Ökonomie sind die Kaufhäuser, ihre Tempel die Börsen. Ihr ersatzreligiöses Mantra lautet, dass der Markt schon alles richten wird. Es ist eine Wirtschaft der knappen Güter, in der man niemandem etwas gönnt, in der man vom Mangel der anderen profitiert und noch aus fallenden Aktienkursen prächtige Gewinne schlagen kann - oh Wunder! In diesem Denken steckt Philippus fest. Er kann gut rechnen. Aber kennt die Rechnung Gottes nicht.
Aber glücklicherweise gibt es nicht nur Philippus. Ein anderer hat eine Idee, ganz unausgegoren vielleicht noch. Lediglich einen Ahnung, wie es gehen könnte. Die Schwarmintelligenz der Jünger*innengruppe beginnt zu arbeiten. Und mit einem Kind wird gezeigt, wie es in Zukunft gehen kann, wenn man eine andere Wirtschaft von Kind auf gelernt haben wird.
Einer seiner Jünger, Andreas, der Bruder von Simon Petrus, sagte: »Hier ist ein kleines Kind. Es hat fünf Gerstenbrote und zwei Fische. Aber was ist das schon für so viele Menschen!« (…) Jesus nahm die Brote. Er sprach das Dankgebet, und verteilte sie an die Leute, die dort saßen. Genauso machte er es mit den Fischen. Alle bekamen, so viel sie wollten.
Da zeigt sich das Wesen der anderen Wirtschaft, die Jesus will. Sie ist an den wirklichen Bedürfnissen der Menschen orientiert und nicht daran, was ihnen tagtäglich eingeredet wird, was sie angeblich benötigen und konsumieren sollen. Die Gerechtigkeit Gottes gibt jedem Menschen, so viel er braucht. Das ist überraschend bescheiden. Man kann nicht mehr essen, als in den Bauch passt. Die neue Wirtschaft ist am Gemeinwohl orientiert, nicht mehr am Wohlstand einiger weniger. Ihr Maßstab ist nicht das Bruttosozialprodukt, sondern das Lebensglück. Diese Wirtschaft muss nicht immer weiter wachsen wie der Krebs und dabei immer mehr Material und Menschen zerstören. Die Wirtschaft Gottes kann sich mit dem begnügen, was da ist. Es ist eine Barmherzigkeitswirtschaft, denn in ihr kommt es auf die wirklichen Beziehungen an. Der Fetisch Geld wird entlarvt und von seinem Götzenthron gestoßen. Es ist eine Gnadenwirtschaft. Verteilen und Verschenken hat einen höheren Status als Verkaufen.
Und sie ist nachhaltig, diese Wirtschaft. Deshalb werden die Reste aufgesammelt und weiterverwendet, wie es seit jeher jede gute Hausfrau macht. Das hat Jesus nicht erfunden.
Als sie satt waren, sagte Jesus zu seinen Jüngern: »Sammelt die Reste ein, damit nichts verdirbt.« Das taten sie. Sie füllten zwölf Körbe mit den Stücken, die nach dem Essen von den fünf Gerstenbroten übrig geblieben waren. Als die Leute sahen, was für ein Zeichen Jesus getan hatte, sagten sie: »Er ist wirklich der Prophet, der in diese Welt kommen soll!«
Ein Prophet ist jemand, der im Namen Gottes sagt, was ist. Der die Ungerechtigkeit und Zukunftslosigkeit gegenwärtiger Verhältnisse aufdeckt. Der mit den frommen Lügen Schluss macht. Und ein Prophet ist jemand, der Zeichen setzt für das, was kommt. Für das, was das eigennutz-orientierte Kalkül übersteigt. Ein Prophet ist jemand, der von einer Liebe redet, die wir für naiv halten. Der uns eine Wirklichkeit zeigt, die unsere engen Grenzen sprengt. So ein Prophet ist Jesus. Die Gnadenwirtschaft, die Jesus Christus praktiziert, ist nicht von dieser Welt. Aber sie kann hier Wirklichkeit werden durch seine Liebe.
Pastor Klaus Kramer
gnadenwirtschaft
wenig haben
austeilen
weniger haben
mehr austeilen
nichts haben
viel austeilen
in der wüste die lustige wirtschaft
wo das wort zum wirte geworden
bis alles verteilt
und alle gehabt.
Kurt Marti
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