Der Tod gehört zum Leben

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Der Tod gehört zum Leben

Wir sind betroffen, wie viele Menschen weltweit lebensgefährlich am Corona-Virus erkrankt sind. Und in unseren Krankenhäusern und Heimen sind jetzt Menschen gestorben, ohne von ihren Angehörigen in den letzten Stunden begleitet werden zu können. Bei den Trauerfeiern der vergangenen Wochen hatte es der Trost manchmal schwer, sich gegen die gespenstische Atmosphäre durchzusetzen. Unser Thema hat ganz aktuelle Bedeutung. 

Die Art, wie wir Abschied nehmen, verändert sich seit Jahren. Früher wurde der Pastor von Angehörigen gebeten: „…und bei der Trauerfeier machen Sie es wie immer!“ Heute gibt es so eine „Normalform“ nicht mehr. Vieles ist möglich. Aber ob auch alles hilft? 

Bei den einen ist es individuell und persönlich. Manchmal waschen die Angehörigen ihre Toten oder setzten eine Aufbahrung an. Sie suchen Lieder und Texte für die Trauerfeier aus. Manche bemalen den Sarg oder die Urne und schmücken die Feierhalle. Nicht nur die Familie, auch Freund*innen und Nachbar*innen werden zu einer Trauerfeier eingeladen. Und nach dem Begräbnis kehrt man bei Kaffee und Butterkuchen ins Leben zurück.

Andere haben nur wenige Angehörige, und die fänden eine Trauerfeier zu fünft eher beklemmend als tröstlich. Die Begleitung der Urne zum Grab ist die würdevolle Alternative.

Nicht wenige Familien liegen auch in Streit miteinander. Da erscheint es vielleicht einfacher, auf eine Trauerfeier zu verzichten. Günstiger ist es auch, denn eine Beerdigung kostet viel Geld. Den Aufwand können sich nicht alle leisten.

Manche haben sich schon eine Grabstelle mit Stein auf dem Friedhof reserviert. Andere wünschen sich eine anonyme oder halbanonyme Bestattung. Sie denken daran, wer das Grab pflegen soll, wo doch die Angehörigen über das ganze Land verstreut sind. Sie sagen: „Ich will nicht zur Last fallen.“ 

Und dann gibt es ja noch ganz andere Möglichkeiten. Seit kurzem darf man in Bremen die Asche Verstorbener im eigenen Garten bestatten. Ob das wirklich hilfreich ist? Aber es gibt ja auch den Friedwald, wo man sich der Natur verbunden fühlen kann. Oder die Seebestattung, die sich auch solche Menschen wünschen, die mit der christlichen Seefahrt nichts zu tun hatten. 

Apropos christlich: Die Zahl christlicher Bestattungen nimmt kontinuierlich ab. Freie Redner, Trauerbegleiter und andere übernehmen diese Aufgabe mit selbst gestalteten Feiern. Aber können Rituale tragen, die nicht eingeübt sind? Tröstet eine Hoffnung, die sich mit dem begnügen muss, was vor Augen ist?

Unsere Bestattungskultur ändert sich. Auf der einen Seite gibt es individuell gestaltete Trauerwege. Und auf der anderen Seite die Tendenz, die Trauer zu überspringen oder auf einen privaten Kreis zu beschränken. „Die Trauerfeier hat im engsten Familienkreis stattgefunden“, hieß es schon vor Corona. So bleiben heute, wo doch so vieles möglich ist, viele dennoch ungetröstet. 

Was tröstet mich? 

Wir hören im Gottesdienst Berichte von Menschen, die das Sterben ihrer Angehörigen sehr bewusst begleitet haben. Es ist nicht leicht, mit den Menschen, die man lieb hat, über deren Tod zu sprechen. Man muss viele Schmerzen aushalten. Vielleicht stehen Konflikte im Wege. Aber die Erfahrung zeigt, dass es befreiend ist, das Thema anzusprechen. Es ist eine Chance, noch etwas zu klären, Nähe und Dankbarkeit zu zeigen. Vielleicht möchte man im Familienkreis noch einmal das Abendmahl feiern? Und es finden sich auch für die Bestattung Formen, die Trost spenden. Und einen Glaube, der uns Hoffnung gibt. 

Gepriesen sei der Gott allen Trostes! Auch wenn ich viel durchstehen muss, gibt er mir immer wieder Mut. Darum kann ich auch anderen Mut machen, die Ähnliches durchstehen müssen. Ich kann sie trösten und ermutigen, so wie Gott mich selbst getröstet und ermutigt hat, schreibt der Apostel Paulus (2. Korinther 1, 3-7)

Aber manchmal ist der Abschied auch mit großen Schwierigkeiten belastet. Manche tragen Unruhe in sich, weil sie beim letzten Atemzug ihres Angehörigen nicht dabei sein konnten, nicht die Hand halten konnten. So erging es einigen jetzt in der Corona-Krise.

Manchmal kommt der Tod plötzlich und unerwartet. Zum Beispiel bei einem Verkehrsunfall. Vorwürfe und Schuldgefühle machen sich breit. Sie lassen sich nur schwer ablegen. „Hätte ich meine Tochter an dem Tag doch zur Schule gefahren …“ Ähnlich ist es, wenn ein Mensch sich selbst das Leben nimmt. „Wieso habe ich es nicht kommen sehen? Hätte ich es verhindern können?“ Man braucht viel Zeit und Hilfe, um mit solchen Fragen zurecht zu kommen. 

Manchmal ist der Abschied auch von Konflikten und Scham überlagert. Jahrelang hatte man keinen Kontakt - und dann erfährt man vom Tod eines Freundes aus der Zeitung. Was soll man nun noch tun? Oder ein Lebenspartner soll auf Wunsch der Familie an der Beerdigung nicht teilnehmen, denn „dann wüssten ja alle, dass unser Sohn homosexuell war. Lieber feiern wir im engsten Kreis.“ Für einige mag das angenehmer sein. Für andere bedeutet es, sich nicht verabschieden zu können.

Abschied nehmen fällt schwer. Und manchmal gelingt es nicht. 

Aber wir können uns stärken an den Geschichten, wo es Menschen gelungen ist, die Endlichkeit des Lebens und den Verlust anzunehmen. Oft haben ihnen vertraute Rituale oder liebevolle Gestaltungen dazu geholfen, loslassen zu können. Und immer wieder taucht als Wegbegleiter der „Gott allen Trostes“ an unserer Seite auf. Ihm können wir alles anvertrauen, was unsere Seele allein nicht tragen kann.

Gebet

Du Gott allen Trostes,
wir wünschen uns deine große Liebe für alles,
was im Abschied und in der Trauer wichtig ist:
Die Zeit, die unsere Seele braucht, um wahrzunehmen, was jetzt ist,
die Bereitschaft, die widerstreitenden Gefühle und Gedanken auszuhalten,
das offene Ohr für die Erinnerungen und für all das, was wir uns noch wünschen,
und schließlich die Ermutigung, Frieden zu finden und ins Leben zurückzukehren.

Jesus Christus, unsere Hoffnung und unsere Freude,
wir bitten dich für alle, die ohne Trost sind.
Wir bitten dich für die Menschen, die sterben mussten,
ohne dass jemand ihre Hand halten konnte.
Wir bitten dich für die, denen der Abschied zur bleibenden Belastung wurde.
Wir bitten dich für die, die von Schuldgefühlen geplagt sind.
Sei allen nahe, die sich nach Befreiung sehnen.

Heiliger Geist, du Beistand unserer Seele,
wir bitten dich für die Menschen, die anderen beim Abschied helfen:
die Angehörigen und Freunde und Freundinnen, die ganz selbstverständlich da sind, die Ärztinnen, die Pflegenden, die Seelsorger, die Ehrenamtlichen in der Hospizhilfe, die zur Stelle sind, wo ihre Qualifikation und Mitmenschlichkeit gefragt wird. 

Amen

Pastor Klaus Kramer und Team

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