Wie viel brauchen wir? – Von der Freigebigkeit und Gütergemeinschaft

Wie viel brauchen wir? – Von der Freigebigkeit und Gütergemeinschaft

Wie viel brauchen wir? – Von der Freigebigkeit und Gütergemeinschaft

# Gottesdienste/Spirituelle Angebote

Wie viel brauchen wir? – Von der Freigebigkeit und Gütergemeinschaft

Vielen Leuten ist es mittlerweile aus Büchern, Lesungen und einem Film bekannt: das sprechende kommunistische Känguru, das mit dem Kleinkünstler Marc-Uwe Kling in einer WG wohnt. Hals über Kopf ist es dort eingezogen und lebt seitdem auf Kosten seines WG-Partners. Das Känguru ist ein emsiger Kämpfer gegen Ungerechtigkeit, Rassismus und Kapitalismus. Doch da es keiner regelmäßigen Arbeit nachgeht, hat es seinem Freund die Aufgabe übertragen, weitgehend für seinen Lebensunterhalt zu sorgen. Ein Schlechtes Gewissen hat es dabei nicht, es geht ja um den guten Zweck. Und wenn der Freund oder andere Personen dann doch anfangen zu protestieren, dann wischt das Känguru alle Einwände weg mit seinem Lieblingsspruch: „Ach, mein, dein – das sind doch bürgerliche Kategorien.“ 

Mit dieser Einstellung kommt das Känguru soweit ganz gut durch sein Leben. Doch wenn es dann selbst mal etwas hergeben muss, dann setzt es auf einmal ganz andere Maßstäbe. Als ein Freund sich eine seiner heißgeliebten Schnapspralinen nimmt, da schimpft das Känguru. Und als der wiederum das Känguru selbst zitiert, mit den Worten: „Ach, mein, dein – das sind doch bürgerliche Kategorien.“, schreit das Känguru empört: „Das ist mein Spruch. Meiner!“

Tja, so einfach ist es mit dem Teilen eben nicht. Schnell kann es zu Eifersüchteleien und Kränkungen kommen und daher lassen mich Erzählungen von gutfunktionierender Freigiebigkeit immer wieder staunen. Dazu gehört auch der Predigttext für heute, der aus der Apostelgeschichte stammt: 

„Die Menge der Gläubigen aber war ein Herz und eine Seele; auch nicht einer sagte von seinen Gütern, dass sie sein wären, sondern es war ihnen alles gemeinsam. Und mit großer Kraft bezeugten die Apostel die Auferstehung des Herrn Jesus, und große Gnade war bei ihnen allen.  Es war auch keiner unter ihnen, der Mangel hatte; denn wer von ihnen Land oder Häuser hatte, verkaufte sie und brachte das Geld für das Verkaufte und legte es den Aposteln zu Füßen; und man gab einem jeden, was er nötig hatte.

Josef aber, der von den Aposteln Barnabas genannt wurde – das heißt übersetzt: Sohn des Trostes –, ein Levit, aus Zypern gebürtig, der hatte einen Acker und verkaufte ihn und brachte das Geld und legte es den Aposteln zu Füßen.“ (Apg. 4)

Wie lange kann das funktionieren, mag man sich fragen. Und tatsächlich wird bald davon erzählt, wie zwei Menschen es tatsächlich nicht schafften, sich dieser Art des Zusammenlebens anzupassen. Doch trotz dieses weiteren Verlaufs der Geschichte behielt das Bild der Gütergemeinschaft der ersten Christen seine Faszination und wurde den christlichen Gemeinden immer wieder als Vorbild vorgehalten. Aus dem 2. Jahrhundert nach Christus finden sich etwas Texte, die von dieser Art des Gemeindelebens erzählen. So schrieb etwa der christliche Schriftsteller Justin: „Wir, die wir Reichtum und Besitz über alles liebten, machen jetzt auch das, was wir bereits haben, zum Gemeingut und teilen es mit jedem, der bedürftig ist.“ 

Ein Jahrhundert später mehren sich dann allerdings die Klagen darüber, dass Gütergemeinschaft in den rasch wachsenden Gemeinden nicht mehr praktiziert wird. Cyprian, der Bischoff von Karthago, schreibt mit Bedauern: 

„Die Einmütigkeit herrschte einst zur Zeit der Apostel. So bewahrte das neue Volk der Gläubigen - den Geboten des Herrn gehorsam-, die rechte Liebe. (….. ) Bei uns aber ist die Einmütigkeit in demselben Maße geschwunden, wie auch die Freigebigkeit im Wohltun zurückgegangen ist.“

Cyprian muss also beobachten, wie die Christen seinerzeit bei der Frage, wem sie wie helfen wollten, sich nicht allein an der Bibel, sondern vielmehr an der eigenen Sympathie ausrichteten. Wo Streit herrscht, sind auch viele Christen weniger bereit, das Eigene herzugeben. 

Doch nicht nur Differenzen, auch die wachsende Größe der Gemeinde machte die Verwirklichung der Gütergemeinschaft schwierig. Und so kam es mit der Zeit, dass diese Art des Zusammenlebens nur noch in Klöstern praktiziert wurde. Wobei es dort dann vielerorts in dem Sinne pervertiert wurde, als dass nur einige wenige entscheiden durften, was mit dem Hab und Gut geschehen sollte. Und zugleich ging es dort nicht nur um den Verzicht auf Privatbesitz - den Mönchen und Nonnen wurde oft auch das Recht über die eigene Zeit und den eigenen Körper abgesprochen. 

Eine ungesunde Spaltung trat innerhalb des Christentums auf, in der die einen zu viel für sich behielten und die anderen viel zu viel hergaben. 

Und wie sieht das nun heute aus? Welche Bedeutung hat diese biblische Geschichte eigentlich noch? Schnell war ich mit meinen Gedanken wieder im Kloster bzw. in der Gemeinschaft von Taizé. Die Brüder, so habe ich mal gelesen, haben auch heute dort alles gemeinsam bis hin zur Kleidung. Es soll da tatsächlich einen großen Kleiderschrank geben, aus dem sich die Männer bedienen. Mal trägt der eine das Hemd, mal der andere. 

Doch wie sieht es außerhalb der Klostermauern aus. Was können wir für uns aus dieser Geschichte mitnehmen?

Das ist für mich wirklich eine schwere Frage. Denn die Bereitschaft, mein Hab und Gut herzugeben, spüre ich in mir nicht und mein Mann wäre damit wohl auch nicht einverstanden. Ist aber auch nicht nötig.  „Es war keiner unter ihnen, der Mangel hatte.“ Das ist für mich der entscheidende Satz in der Erzählung. Und ich glaube, damit das in unserer Welt Realität wird, muss nicht völlig auf Privatbesitz verzichtet werden. Es reicht schon, von dem, was wir haben, abzugeben. Im Jahr 2019 besaßen 0,9 Prozent der Weltbevölkerung 43,9 Prozent des weltweiten Vermögens. Solche Zahlen zeigen, dass es möglich wäre, die finanzielle Not in der Welt zu lindern, wenn wir nicht völlig auf das Eigene verzichten, sondern einfach lernen großzügiger zu teilen. 

Neulich saß ich in Bad Zwischenahn in einem Straßencafé. Ein paar Tische entfernt saß ein Mann, der von einem anderen auf sein neues schickes offensichtlich sehr teures Auto angesprochen wurde. „Das gehört meinem Gärtner.“ scherzte er. „Der stellt es nachher neben seine anderen beiden. - Nein im Ernst: Ich habe mein ganzes Leben gearbeitet, dann darf ich mir das doch gönnen.“ 

Ich lauschte aus der Ferne dem Gespräch und ärgerte mich. Vor allem über den überheblichen Witz bezüglich des Gärtners, aber auch über die Einstellung des Mannes. Natürlich darf er von seinem Geld kaufen, was er möchte. Aber es wäre schön, wenn er sich die Frage stellen würde, ob er das denn wirklich braucht. Sein Gärtner hat möglicherweise ebenfalls sein ganzes Leben gearbeitet. Doch was wird er sich gönnen können? Wird seine Rente überhaupt ausreichend sein?

Biblische Geschichten wie die heutige zeigen: Christsein hat nicht nur damit zu tun, was ich glaube, sondern auch, wie ich mein Leben führe: Wie ich mit dem umgehe, was ich habe, für welche Werte ich eintrete und welche Initiativen und politischen Strömungen ich unterstütze. Es geht nicht nur um Hoffnung, sondern auch um Verantwortung.

Zwischen mein und dein darf unterschieden werden. Doch beides sollte immer wieder zu einander in Beziehung gesetzt werden. Wie viel brauchst du, wie viel brauche ich? Wer kann wem wie Hilfe schenken?

„Es war auch keiner unter ihnen, der Mangel hatte (…) und man gab einem jeden, was er nötig hatte.“ So sollte es sein. Amen.

Pastorin Carolin Joppig

Dies könnte Sie auch interessieren

0
Feed