"Schaut die Lilien auf dem Feld..." (Matthäus 6)

"Schaut die Lilien auf dem Feld..." (Matthäus 6)

"Schaut die Lilien auf dem Feld..." (Matthäus 6)

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"Schaut die Lilien auf dem Feld..." (Matthäus 6)

Darum sage ich euch: Sorgt euch nicht um euer Leben, was ihr essen und trinken werdet; auch nicht um euren Leib, was ihr anziehen werdet. Ist nicht das Leben mehr als die Nahrung und der Leib mehr als die Kleidung? Seht die Vögel unter dem Himmel an: Sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen; und euer himmlischer Vater ernährt sie doch. Seid ihr denn nicht viel kostbarer als sie? Wer ist aber unter euch, der seiner Länge eine Elle zusetzen könnte, wie sehr er sich auch darum sorgt?

Und warum sorgt ihr euch um die Kleidung? Schaut die Lilien auf dem Feld an, wie sie wachsen: Sie arbeiten nicht, auch spinnen sie nicht. Ich sage euch, dass auch Salomo in aller seiner Herrlichkeit nicht gekleidet gewesen ist wie eine von ihnen. Wenn nun Gott das Gras auf dem Feld so kleidet, das doch heute steht und morgen in den Ofen geworfen wird: Sollte er das nicht viel mehr für euch tun, ihr Kleingläubigen? Darum sollt ihr nicht sorgen und sagen: Was werden wir essen? Was werden wir trinken? Womit werden wir uns kleiden? Nach dem allen trachten die Heiden. Denn euer himmlischer Vater weiß, dass ihr all dessen bedürft.

Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch das alles zufallen. Darum sorgt nicht für morgen, denn der morgige Tag wird für das Seine sorgen. Es ist genug, dass jeder Tag seine eigene Plage hat. (Matthäus 6)“

Menschen, die gern längerfristig planen habe es in dieser Zeit schwer. Jede Woche verändert sich etwas und man muss aufpassen, die neuesten Nachrichten nicht zu verpassen. Was darf wieder stattfinden und unter welchen Bedingungen? 

Zwei Hochzeitseinladungen habe ich für diesen Sommer bekommen. Die eine wurde abgesagt und bei der anderen ist noch alles unsicher. Mit wie vielen Leuten mag man dann feiern dürfen? Wie viele dürfen in die Kirche? Wie viele ins Restaurant?

Die Konfirmationen wurden schon in den Spätsommer verschoben. Doch wie werden sie dann aussehen? Und wer wird mit dabei sei können?

Die Frage nach den Weihnachtsgottesdiensten meldet sich, wird aber weggeschoben. Das ist doch noch zu weit weg. 

Das alles waren Beispiele aus dem Umfeld der Gemeinde. Für andere Menschen gibt es noch ganz andere Sorgen: Wie lange gelten noch Kurzarbeit und Geldeinbußen? Wie sicher ist die eigene Arbeitsstelle? Wird man sich mit Vermietern und Kreditgebern einig? 

Groß ist die Ungewissheit und manche Frage überwältigend…

Für viele von uns ist eine solche Situation eine neue Erfahrung. Doch für viele Menschen in unterschiedlichsten Zeiten war Ungewissheit Normalität.  

Auch Jesus ist ihnen begegnet: Den Menschen, die nicht wussten, was sie am nächsten Tag zu essen haben würden – geschweige denn, wie ihre Zukunft aussehen würde. Nicht nur den Krankheiten war man ziemlich hilflos ausgeliefert, sondern auch dem Interesse oder Desinteresse, dem Wohlwollen oder der Abneigung der anderen Menschen. Es gab keinerlei Versicherungen, keine Rente – wenig, worauf man zählen konnte. 

Wie groß mag da die Sorge gewesen sein. Zahlreich müssen die Gedanken gewesen sein, die einem den Schlaf vertreiben konnten.

Denen, in einer solchen Unsicherheit lebten, begegnete Jesus mit Worten, die mittlerweile gut bekannt sind. Jesus verweist auf die Vögel und die Lilien, die von Gott versorgt werden und ermutigt die Menschen, sich ebenfalls auf Gott zu verlassen. 

Immer wieder erlebe ich diese Worte Jesu auch als Provokation. Schnell fallen mir Gegenbeispiele ein. Ich denke an die zahlreichen Kindern, die in dieser Welt vernachlässigt werden und verhungern, und bringe das immer wieder auch vor Gott. 

Doch trotzdem, trotz dieser Widersprüchlichkeit, möchte ich diesen Abschnitt der Bergpredigt nicht missen. Denn immer wieder entfaltet sich auch der Zauber, der in ihm steckt. „Darum sorgt nicht für morgen, denn der morgige Tag wird für das Seine sorge. Es ist genug, dass jeder Tag seine eigenen Plage hat.“

Im Hier und Jetzt leben. Schritt für Schritt gehen und nicht schon den übernächsten überdenken, weil man schon zu wissen meint, wohin einen der nächste führt. Nach dieser inneren Haltung suche ich immer wieder und erinnere mich an die Worte Jesu, wenn ich mal wieder in meinen Gedankennetzen gefangen bin. Ähnlich berührend wie seine Aussagen empfinde ich die Worte des Straßenfegers, in der Geschichte von Momo von Michael Ende mit seiner einfachen Weisheit: 

Dort erzählt der Straßenfeger, wie er es schafft, die Aufgabe, die vor ihm liegt, zu meistern:

„Manchmal hat man eine sehr lange Straße vor sich. Man denkt, die ist so schrecklich lang; das kann man niemals schaffen, denkt man. Und dann fängt man an, sich zu eilen. Und man eilt sich immer mehr. Jedes Mal, wenn man aufblickt, sieht man, dass es gar nicht weniger wird, was noch vor einem liegt.

Und man strengt sich noch mehr an, man kriegt es mit der Angst zu tun und zum Schluss ist man ganz außer Puste und kann nicht mehr. Und die Straße liegt immer noch vor einem. So darf man es nicht machen. Man darf nie an die ganze Straße auf einmal denken, verstehst du?

Man muss immer nur an den nächsten Schritt denken, an den nächsten Atemzug, an den nächsten Besenstrich. Dann macht es Freude; das ist wichtig, dann macht man seine Sache gut. Und so soll es sein.

Auf einmal merkt man, dass man Schritt für Schritt die ganze Straße gemacht hat. Man hat gar nicht gemerkt wie, und man ist nicht außer Puste. Das ist wichtig.“ (Michael Ende)

Schritt für Schritt denken und gehen. Damit macht der Straßenfeger gute Erfahrungen. 

Natürlich ist es manchmal wichtig, das große Ganze in den Blick zu nehmen, Visionen entwickeln und Pläne zu schmieden. Vieles ließe sich sonst gar nicht organisieren. Doch manchmal ist eben etwas anderes an der Zeit. Manchmal braucht es eben die Kunst der kleinen Schritte, um voranzukommen oder auch um Geplantes in Wirklichkeit umzusetzen.  

„Darum sorgt nicht für morgen, denn der morgige Tag wird für das Seine sorge. Es ist genug, dass jeder Tag seine eigenen Plage hat.“

Mit diesen Sätzen gibt sich Jesus als psychologischer Ratgeber, ähnlich wie Momos Bekannter. Doch Jesus wäre nicht er selbst, wenn er nicht den Glauben in dieses Thema einflicht, wie er es mit dem Verweis auf die Lilien und die Vögel tut, die von Gott versorgt werden. Und damit sagt er: Es geht eben nicht allein darum, Sorgen loszulassen. Es geht darum, sie an jemand anderen abzugeben. An eine Kraft, die stärker ist als unsere. An ein Wesen, dem mehr Möglichkeiten offen stehen als uns. An einen Gott, dem wir am Herzen liegen. 

Amen.

Pastorin Carolin Joppig

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