Das Welthaus

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Das Welthaus

Nach seiner Auferstehung, so berichtet die Apostelgeschichte in ihrem ersten Kapitel, hat sich Jesus noch 40 Tage lang seinen Jüngerinnen und Jüngern gezeigt. Am Ende dieser Zeit ist er noch einmal bei ihnen, als sie gerade in einem Haus zusammen essen. „Bleibt in Jerusalem!“, trägt er ihnen auf. Ganz automatisch kommen mir heute die Tage in den Sinn, die wir zu Hause bleiben mussten. Stay at home!

Aber dabei bleibt es nicht. Wir kommen wieder heraus aus den Häusern. Jesus hat seine Jüngerinnen und Jünger in die Welt geschickt. „Ihr werdet überall als meine Zeugen auftreten bis ans äußerste Ende der Erde.“ 

Bei den „äußersten Enden der Erde“ denke ich jetzt an den unsichtbaren Virus, der ja auch in jeden Winkel vorgedrungen ist und global seine verheerende Wirkung zeigt. Ob das eine Folge der Globalisierung ist? Die Rache der Natur? Gar die Strafe Gottes für unser ungerechtes und schädliches Handeln? 

Ich glaube nicht, dass uns Gott wie ein schlechter Erzieher mit Strafen auf den rechten Weg bringen will. Was ist das für eine Vorstellung von Gott? Da kommen doch wohl eher allzu menschliche Projektionen zum Vorschein. Die Bibel erzählt uns jedenfalls anders von Gott und wie er mit uns handelt. 

Aber dennoch gibt es nach meiner Auffassung Zusammenhänge zwischen der Globalisierung und der Pandemie. Sie liegen in dem, was Papst Franziskus beim Gebet zu seinem Segen „Urbi et Orbi“ – der Stadt Rom und dem Weltkreis – gesagt hat: „In seiner Gewinnsucht hat sich der Mensch ganz von den materiellen Dingen in Anspruch nehmen lassen. Wir haben vor deinen Mahnrufen nicht angehalten, wir haben uns von Kriegen und weltweiter Ungerechtigkeit nicht aufrütteln lassen, wir haben nicht auf den Schrei der Armen und unseres schwer kranken Planeten gehört. Wir haben unerschrocken weitergemacht in der Meinung, dass wir in einer kranken Welt immer gesund bleiben würden.“

Die gegenwärtige Not macht uns drastisch deutlich, welche Not schon längst auf unserem Globus herrscht. Und wie wir diese Not zugleich verursachen und unter ihr leiden. So ist die gegenwärtige Krise für mich eine Mahnung, unseren Weg zu überdenken. Und sie ist für mich eine Aufforderung, dem Weg Jesu zu folgen, bis an die Grenzen – gerade dorthin. Sie ist die Erinnerung daran, im Gebet und im praktischen Handeln füreinander einzustehen und Lasten zu teilen. Und dann kann ich auch sagen, dass diese Mahnung, diese Aufforderung und Erinnerung von Gott kommen. Er schickt uns nicht Corona. Aber er lässt uns  in dieser Krise die Augen und die Herzen aufmachen.

Gott ist ja übrigens schon da, an den äußersten Grenzen der Erde. Längst vor dem Virus hat sich das Evangelium von Jesus Christus überall ausgebreitet auf der ganzen Erde, bis in den letzten Winkel. Wir können jetzt an jedem Ort seine Zeugen werden. Zeugen seiner Friedfertigkeit, seiner Demut, seines Mitfühlens mit der ganzen Kreatur. Zeugen der Gerechtigkeit, die vor Gott gilt. 

Die internationalen Konflikte werden auch in der Corona-Krise nicht weniger. Die Solidarität ist leider oftmals kleiner als die egoistischen Interessen der einzelnen Staaten. Es ist ein großer Schatz, wenn die Kirchen jetzt nicht in Nationalismen zerfallen. Denn es gibt ja nur die eine Kirche Jesu Christi, an jedem Ort.

Die Gemeinschaft der verschiedenen Ortskirchen und Konfessionen nennt man „Ökumene“. Auf Deutsch bedeutet dieses griechische Wort: Erdkreis. Es steckt darin das Wort oikos, wir kennen es aus anderen Fremdwörtern: Ökonomie, Ökologie. Oikos heißt „Haus“. Und alles, was zum Haus gehört: die ganze Wirtschaft, das ganze Zusammenleben.

Letztlich sind wir alle auf dieser Erde wie in einem Haus. Und wir kommen nicht heraus aus diesem Welthaus. Stay at home!  Es gibt ja keine zweite Erde. In dem einen Welthaus müssen wir endlich anfangen, gerecht und friedlich miteinander zu leben und zu wirtschaften. Wie Jesus es uns vormacht. Wir können das mutig und getrost angehen. Denn Jesus Christus ist bei uns in diesem globalen Lockdown. Alle Tage. Überall. Grenzenlos.

Pastor Klaus Kramer

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