02/07/2024 0 Kommentare
Was starrt ihr in den Himmel?
Was starrt ihr in den Himmel?
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Was starrt ihr in den Himmel?
4 Als Jesus wieder einmal bei den Aposteln war und mit ihnen aß, schärfte er ihnen ein: »Verlasst Jerusalem nicht! Wartet darauf, dass in Erfüllung geht, was der Vater versprochen hat. Ihr habt es ja schon von mir gehört: 5 Johannes hat mit Wasser getauft. Aber ihr werdet in wenigen Tagen mit dem Heiligen Geist getauft werden.«
6 Da fragten ihn die Versammelten: »Herr, wirst du dann die Herrschaft Gottes in Israel wieder aufrichten?«
7 Jesus antwortete: »Ihr braucht die Zeiten und Fristen nicht zu kennen. Mein Vater allein hat sie in seiner Vollmacht festgelegt. 8 Aber wenn der Heilige Geist auf euch herabkommt, werdet ihr Kraft empfangen. Dann werdet ihr meine Zeugen sein – in Jerusalem, in ganz Judäa und Samarien und bis ans Ende der Erde.«
9 Nach diesen Worten wurde er vor ihren Augen emporgehoben. Eine Wolke nahm ihn auf, und er verschwand. 10 Die Apostel starrten wie gebannt zum Himmel und schauten ihm nach.
Da standen plötzlich zwei weiß gekleidete Männer bei ihnen. 11 Die sagten: »Ihr Männer aus Galiläa, was steht ihr da und schaut zum Himmel? Dieser Jesus, der von euch weg in den Himmel aufgenommen wurde, wird wiederkommen – genauso wie ihr ihn habt in den Himmel gehen sehen.«
Apg 1,4-11
Wohin schauen wir? Wie die Jünger in den Himmel, wo Jesus verschwunden ist? Sie können sich nicht lösen, obwohl ihnen schon der Nacken wehtun müsste. Es ist eine geläufige Vorstellung, dass Gott im Himmel zu finden sei, harmlos weit weg. Auch wenn längst Raketen den Himmel durchpflügen, halten wir an diesem Glauben fest.
Meistens schauen wir allerdings ganz woanders hin. In unserer Generation kam ein neues Gerät auf den Markt, der Fern-Seher. Seit den 50er Jahren verändert er unser Leben. Viele schauen in die Röhre, auch wenn sie heute ganz flach geworden ist, aber dafür so groß wie eine Kino-Leinwand. Viele sagen aber auch: In der Glotze sind mir zu viel Gewalt und Krieg und Probleme, das schaue ich mir nicht mehr an. Und schalten um auf eine Tiersendung. Oder machen ganz aus. Und es ist ja richtig, die Seele zu beschützen vor zu vielen schrecklichen Bildern. Wir sollen uns nicht endlosen medialen Schrecken aussetzen. Aber wo sehen wir dann hin? „Du schaust doch die ganze Zeit dahin“, sagt die Ehefrau, die mit ihrem Mann vor dem kaputten Fernseher sitzt - bei Loriot.
Manchmal ist es interessant, wo wir nicht hinschauen. In den Kirchen haben wir jahrzehntelang nicht auf den sexuellen Missbrauch gesehen. Und als das in der katholischen Kirche durch den mutigen Einspruch einzelner aufflog, dachten viele in der evangelischen Kirche: Das betrifft uns nicht, wir haben ja keinen Zölibat. Dass bei uns die offenen und geheimen Machtverhältnisse den Missbrauch genauso fördern - das wollten viele nicht sehen.
Wie steht es um das Hinschauen im privaten Bereich? Es gibt viele blinde Flecken. Und dass wir persönlich manches nicht wahrnehmen, hängt auch mit gesellschaftlichen Tabus zusammen. Über manches kann man immerhin heute sprechen, wir haben eine Aufmerksamkeit dafür und Worte. Aber vieles wird immer noch unter den Teppich gekehrt. Hauptsache, die Nachbarn merken nichts. Hauptsache, ich muss mich damit nicht weiter auseinandersetzen. Denkt man, stimmt aber natürlich nicht. Was wir zu verdrängen suchen, kommt mit Macht zurück. Und die Nachbarn wissen eh längst Bescheid.
Wo schauen wir hin? Was starren wir an? Immer noch schauen wir gerne auf zum starken Mann. Zu einer Autorität, die alles gut macht. Zu jemanden, der sich, anders als Jesus, nicht entzieht, sondern sichtbar ist und aufräumt. Klar Schiff macht. Mit eisernem Besen durchkehrt, und was solche Saubermann-Parolen mehr sind. Wir wünschen uns einen Zauber-Menschen, der die Probleme löst.
Umso mehr enttäuscht uns, wie wenig unser Glaube dem Auge zu bieten hat. Auch dieser, der am Kreuz hängt, ist für viele ein Mensch nur (Kurt Rose, EG NB 599). Was kann ich da erwarten?
Wo schauen wir hin? Wie können wir unseren Blick lösen von dem, was vergebliche Hoffnung ist, was nicht Gott ist und uns nicht erlöst? Die beiden im weißen Anzug machen den fassungslosen Jüngern den Perspektivwechsel möglich. Noch deutlicher war der Engel, der zu den verängstigten Frauen am leeren Grab gesprochen hat, wo sie den toten Jesus suchen und nicht finden. „Er geht euch voraus nach Galiläa; dort werdet ihr ihn sehen, wie er es euch gesagt hat.“ (Mk 16,7)
Galiläa - das steht für den Weg Jesu auf der Erde. Für die Gemeinschaft, in der Menschen aufgerichtet wurden. Für das Essen, bei dem alle satt werden. Für die Auseinandersetzungen ohne Gewalt. Für die Mitbestimmung, in der alle beteiligt werden. Für die Zukunft, für die wir Verantwortung tragen. Da sind seine Spuren zu finden - und seine Gegenwart.
Die Gegenwart Gottes in dieser Welt ist nicht im Himmel, sondern ganz nah hier bei uns, und deshalb müssen wir hier suchen. In unserem Galiläa. Dort, wo wir Jesus Christus nachfolgen.
Also: Nicht den falschen Illusionen hinterherstarren. Nicht zu vermeintlichen Erlöserfiguren emporschauen, die uns am Ende doch verraten. Nicht verdrängen und vertuschen. Sondern: Nacken massieren (vielleicht hilft jemand?), Scheuklappen abmontieren und gelöst die Augen aufmachen, wo sich hier und jetzt Gott zeigt.
Nicht in beeindruckenden Sensationen, spektakulären Shows oder den Katastrophen, die wir dann doch mit Gänsehaut-Schauder im TV betrachten. Sondern: Augen auf auch für die kleinen Dinge. In Deinem Alltag geht dir der Meister aus Galiläa voran und zeigt dir links und rechts deines Weges alles, was es zu sehen gibt an Schönem und Ermutigendem. Und all die lieben Menschen, die mit dir gehen, wie du es heute erlebst. Und lässt dich im Licht seiner Gnade auch die Dinge sehen, die du dir eigentlich nicht anschauen wolltest. Aber so, mit seiner Hilfe, geht es.
Und so geht es auch für die Menschen, die so viel schon gesehen haben. Ich weiß: Wenn man alt wird, geht der Blick zurück in die Jahrzehnte, die man bestanden hat. Und geht voraus dahin, wo man sich vorstellt, wieder mit den Lieben vereint zu sein. Aber weder der eine noch der andere Blick soll euch den Hals verrenken! Denn der Geist, den Jesus verheißt, kommt nicht nur auf junge, sondern auch auf alte Menschen (Joel 2,28-32).
Sogar Greise mit grauem Star sehen klar und deutlich, was die Liebe vermag. Durch diesen heiligen Geist werdet ihr immer wieder neue Kraft erfahren, auch heute.
Und werdet Augenzeugen dieses unspektakulären Wunders, das größer ist als unser Wollen und Verstehen und eure Herzen und Sinne bewahrt in Christus Jesus.
Amen
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