Ihr seid dafür Zeugen

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Ihr seid dafür Zeugen

Erinnern Sie sich, in welcher Zeit Sie konfirmiert wurden? 1948 war der zweite Weltkrieg gerade zu Ende. In jeder Familie waren Väter, Brüder, Onkel, Tanten gestorben oder noch in Gefangenschaft. Bremen lag in Trümmern. Viele Kinder wurden nur durch die Schulspeisung satt. Mitte der 50er trat der Rock’n’roll seinen Siegeszug um die Welt an. Jugendliche kratzen ihr Geld zusammen, um sich Platten von Bill Haley, Chuck Berry oder dem frühen Elvis Presley zu kaufen. Am 29.04.1963 gewann Werder Bremen in der Oberliga Nord 4:2 gegen Bergedorf und stand damit am Saisonende auf Platz 2 der Tabelle - nach dem HSV. Vielleicht standen Sie schon damals auf dem Platz? Vor 55 Jahren, im Januar 1968,  sind Bremer Schülerinnen und Schüler aufgestanden gegen den Vietnamkrieg und gegen die Erhöhung der Fahrpreise bei der Straßenbahn. Vielleicht waren Sie oder ältere Geschwister dabei? Oder Sie haben ihren Protest etwas anders gezeigt? Anfang der 70er war der Minirock Mode, auch bei den Konfirmandinnen des Jahrgangs 1973, man sieht es auf den alten Fotos. 

So vieles haben Sie erlebt, als sie sich mit 14 oder 15 Jahren haben konfirmieren lassen. Und so vieles ist seitdem geschehen! Sie sind Zeuginnen und Zeugen ihrer Zeit. Ihrer Geschichte von Glück und Lebenslust, von Unrecht und Empörung, von Leiden und von Lernen. Sie können berichten von dem, was sie erlebt haben. Ach ja, so war das. – War das so?

Sie sind Zeuginnen und Zeugen ihrer Zeit. Und sie sind damit und darin auch Zeuginnen und Zeugen der Geschichte von Jesus Christus. Seines Lebens und seiner Lehre. Der Wunder, die er tat und des Unrechts, das ihm angetan wurde. Seines Todes und seiner Auferstehung. So sagt es Jesus zu uns: 

„Ihr seid Zeugen für alles, was geschehen ist.“ (Lukas 24,48)

Was erwartet man von Zeuginnen und Zeugen? Vor allem zwei Dinge.

Als erstes, dass sie bereit sind, auszusagen. In unserer Gegenwart ist es manchmal nicht so beliebt, wenn man sagt: „Ich glaube an Gott“, oder: „Ich gehöre zur Kirche“. In der Antike konnte das sogar lebensgefährlich sein. Deshalb gehört Mut dazu, die eigene Geschichte und unsere gemeinsame Geschichte als eine zu deuten, in der Gott handelt und in der Jesus Christus gegenwärtig ist. Aber genau so verstehen wir in unserem Glauben alles, was geschieht. Wir verstehen es im Lichte der Liebe Gottes. Wir erkennen und verurteilen in diesem Licht die schrecklichen Dinge, zu denen Menschen fähig sind, deren Zeuginnen und Zeugen wir sind. Und wir preisen die Liebe Gottes, die sich in so vielen Zeichen von Verständigung, Fürsorge, Aufmerksamkeit und Widerstand zeigt. 

Wir verstehen die Geschichte, die wir erleben, von Gott her. Und wir dürfen uns als Zeuginnen und Zeugen Jesu Christi nicht einschüchtern lassen von Tod und seinen Handlangern, von Angst, Leid und Not. Sondern können frei heraus und mit unseren eigenen Worten bezeugen, wo die Liebe Gottes Platz hat in unserem Leben. Bei der Schulspeisung und bei Elvis Presley.

Noch etwas Zweites wird von Zeuginnen und Zeugen erwartet: Sie sollen die Wahrheit sagen. Unsere Zeit bietet ganz unerhörte Möglichkeiten für mediale Lügengeschichten. Aber frühere Zeiten waren auch voll falscher Zeugen. Die aus Angst oder um ihres Vorteils willen falsch ausgesagt haben. Die Frauen, die als erste dem auferstandenen Jesus Christus begegnet sind, hatten auch Angst und standen in Gefahr, sich von dieser Angst korrumpieren zu lassen. Es ist eine der ersten Wirkungen der Auferstehung, dass sie diese Angst überwunden haben und erst den andern Jüngerinnen und Jüngern und dann allen Menschen erzählt haben, was sie erlebt hatten. Sie sind mutige Zeuginnen nicht nur für das Leiden von Jesus Christus am Kreuz, sondern auch für die Revolution, die damit beginnt, dass er von den Toten auferstanden ist und schließlich in den Himmel auffährt. Davon erzählen die Frauen, stockend vielleicht, um Worte ringend, aber doch klar und deutlich. Und wahrhaftig.

Man kann sich ja immer wieder fragen was das ist: die Wahrheit. Wer je die verschiedenen Zeugenaussagen in einem Gerichtsprozess übereinandergelegt hat, weiß, wie schwer das zu ermitteln ist. In dem Prozess, indem wir eingespannt sind, dem ganzen Weltgeschehen nämlich, in diesem Prozess, in dem wir handeln, in dem wir Gutes tun und schuldig werden, gilt das auch. 

Was ist unsere persönliche Wahrheit? Was unterscheidet sie von dem, was andere für wahr und richtig halten? Christus macht uns Mut, für unsere Aussage nicht nur auf das zu bauen, was der Tod uns als scheinbar unumstößlich einreden will. Das immer alles schlechter werde, das Unrecht und Gewalt sowieso gewinnen, dass alles eitel und vergänglich sei. Denn das ist nur ein Teil der Wahrheit. 

Vollständig und wahrhaftig wird unsere Geschichte erst, wenn wir die ganze Geschichte von Jesus Christus mit einbeziehen und d.h. vor allem: Seine Auferstehung. Diese Kraft, diese Hoffnung, diese mächtige Liebe gehört zu unserer christlichen Wahrheit immer dazu. 

Deshalb nehmen wir als Zeuginnen und Zeugen von Jesus Christus eine besondere Perspektive ein. Und bezeugen, dass es nicht nur das Leiden in unserem Leben gegeben hat, die Schuld, den Verlust, die Enttäuschung und den Verrat. Es hat auch immer - als eine Anzahlung auf die himmlische Herrlichkeit - die Liebe gegeben, mit der wir geliebt haben und geliebt wurden. Es hat die Treue gegeben, mit der wir zueinander gehalten haben. Es hat die immer neue Kraft gegeben, mit der uns Gott aufgeholfen hat, auf dem Platz bei Werder Bremen und anderswo. Es hat den Mut gegeben, einen Schritt hinaus ins offene zu wagen, obwohl wir nicht wussten, wie der Weg weitergeht. Es hat die Entschlossenheit gegeben, für Gerechtigkeit und Frieden einzustehen, 1968 auf den Straßenbahnschienen und bis heute vielfach. 

Das alles hat es gegeben in ihrem Leben und davon berichten sie und bekennen es als Zeuginnen und Zeugen der Geschichte von Jesus Christus. Und sie tun es, wie heute, mit Freude. 

Amen

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